Biegungen reiten: Die besten Übungen für ein fittes Pferd – Teil 1: Reiten auf gebogenen Linien

 

Ein rittiges, dauerhaft gesundes Pferd ist für viele Reiter das oberste Ziel. Aber das kommt bekanntlich nicht von selbst, sondern muss erarbeitet werden. Doch warum ist es eigentlich so wichtig, das Pferd gezielt zu gymnastizieren und eine tragfähige Muskulatur aufzubauen? Ganz einfach: Setzt sich der Reiter aufs Pferd, gibt ein untrainierter Pferderücken nach wie eine Hängebrücke. Rücken und Bauch hängen durch. Diesen Vergleich hat wohl jeder schon einmal gehört. Die Folge dieser Haltung sind Fehlbelastungen, Verspannungen und Schmerzen.  

Das Ziel jeder guten Reitpferdeausbildung ist es daher, das Pferd zu befähigen, den Reiter ohne Schaden zu tragen.

Und das passiert, in dem die nötigen Strukturen geschaffen werden. Sehnen und Bänder müssen gekräftigt und die Muskulatur trainiert werden. Das dauert Jahre und erfordert sinnvolles Training. Aber es lohnt sich – dem Partner Pferd zu Liebe. Damit du dein Pferd möglichst sein ganzes Leben lang und gesund reiten kannst, haben wir für dich hier die besten Übungen für ein fittes und gesundes (Gang)Pferd zusammengestellt. Heute geht es um das Thema Biegungen. Ein Text von Laura Arnhold (FN Trainerin B Gangreiten und OsteoConcept Coach) und Anne-Lena Jost (FN Trainerin C Gangreiten).    


⚜️ Die besten Übungen für ein fittes Pferd ⚜️

 

Teil 1: Reiten auf gebogenen Linien

 

Die gebogene Linie ist das Grundelement zur seitlichen Stabilisation des Pferdes und daher so wichtig in der Ausbildung. Beim Reiten gebogener Linien werden die Muskelgruppen der An- und Abspreizer der Vorhand und der Hinterhand angesprochen.

Auf gebogenen Linien muss das Pferd sein jeweils inneres Hinterbein vermehrt anwinkeln und damit mehr Last aufzunehmen. Zugleich wird die jeweils äußere Körperseite gedehnt und das äußere Hinterbein übernimmt eine eher schiebende Funktion. Der aufmerksame Leser erkennt sofort: hier werden Schubkraft und Tragkraft gleichermaßen gefördert. Beide sind elementar, um einen geregelten Bewegungsablauf sicherzustellen.


 

Handwechsel verbessern und überprüfen Koordination, Geraderichtung, Kraft und Geschmeidigkeit

Besonders effektiv ist es, zwischen den Biegungen sehr oft Handwechsel einzubauen. Das beugt Ermüdungen vor und sorgt für einen gleichmäßigen Trainingseffekt. Regelmäßige Handwechsel und die damit immer wieder wechselnden Anforderung an die jeweilige Körperseite erhöhen zusätzlich die Koordination, die Geraderichtung, die Kraft und die Geschmeidigkeit des Pferdes.

Tipp: Handwechsel sollten fließend und gleichmäßig gelingen. Wirft sich das Pferd hingegen z.B. auf die neue Hand, bricht es mit Vor- oder Hinterhand aus, hebt sich aus der Anlehnung, kommt aus dem Takt oder ähnliches (obwohl der Reiter korrekt einwirkt), kann man dies als Zeichen werten, dass dem Pferd noch Kraft oder Koordination fehlen. Besonders die Handwechsel eignen sich also gut zur Überprüfung des Trainings- und Ausbildungsstandes.

 

 


Große oder kleine Linien?

Je besser und korrekter die gebogene Linie geritten wird, um so intensiver wirkt die Trainingsbelastung und trägt zur weiteren Entwicklung der Athletik des Pferdes bei. Umgekehrt lässt sich jedoch sagen, dass falsch gerittene Biegungen – nicht zu letzt durch die dabei wirkenden Zentrifugalkräfte – Gelenke und Sehnen erheblich belasten können. Dies trifft um so mehr zu, je enger die gebogene Linie wird.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Mit wenig geschulten Pferden werden zunächst nur große Linien geritten. Je weiter das Pferd in der Ausbildung voran schreitet, um so enger dürfen die Biegungen werden.

Da die Zentrifugalkräfte in den höheren Gangarten zunehmen, gilt also auch hier: Zuerst langsam reiten und erst mit einem ausbalancierten Pferd auch Biegungen in schnelleren Gangarten wie Trab, Tölt oder Galopp einbauen.


Schulter- und Hinterhandkontrolle in der Biegung

Zirkel und Volten, Achten und Schlangenlinien sowie Kombinationen aus all diesen – die Möglichkeiten sind schier unendlich und für jeden Ausbildungsstand anpassbar. Während junge und unausbalancierte Pferde dazu neigen, ihre Balance durch Außenstellung zu wahren, sollte das Ziel doch sein, die Biegungen mit der Zeit immer korrekter reiten zu können, um ihren gymnastizierenden Effekt zu erhalten.

Je besser Kraft und Koordination des Pferdes geschult sind, umso korrekter kann es sich in seiner Längsachse auf die gebogene Linie einstellen und umso kontrollierter, korrekter kann die gebogene Linie geritten werden.

Die natürliche Schiefe des Pferdes, oder auch einfach mangelnde Kraft, sorgen aber auch beim bereits weiter ausgebildeten Pferd gern mal dafür, dass es auf einer Hand eher nach innen fällt und auf der anderen eher nach außen driftet. Hier helfen eine gute Kontrolle von Schulter und Hinterhand, um das Pferd auf beiden Händen gleichmäßig und sinnvoll zu gymnastizieren.

Tipp: Das Reiten von gebogenen Linien in Konterstellung kann sehr effektiv dabei helfen, die nötige Kontrolle von Vor- und Hinterhand herzustellen. Es stellt zugleich eine Steigerung des Trainingseffekts dar. Sowohl für den Reiter, als auch für das Pferd ist dies zudem eine Übung, die die Koordination, die Konzentration und die Feinabstimmung der Hilfen verbessert.


Die Feinabstimmung der Hilfen

Eine korrekte Hilfegebung steuert und kontrolliert die Muskelgruppen, die für das korrekte Reiten von Biegungen zuständig sind. Hierbei lässt sich festhalten, dass der innere Schenkel in Kombinationen mit dem äußeren Zügel vorwiegend für die Vorhandkontrolle zuständig ist, während der äußere, verwahrende Schenkel die Kontrolle der Hinterhand übernimmt. Nur im koordinieren Zusammenspiel dieser Hilfen ist es möglich, das Pferd korrekt auf die jeweilige gebogene Linie einzustellen. Diese Feinabstimmung der Hilfen kann selbstverständlich nur aus einem ausbalancierten Sitz des Reiters erfolgen.


Übungen

Einige Lieblingsübungen rund um das Thema Reiten auf gebogenen Linien möchten wir dir hier vorstellen.


Slalom im Kreis

Übungsaufbau: Auf der Zirkellinie werden ca. 8 Pylonen in gleichmäßigem Abstand positioniert. Nun reitest du, statt wie gewohnt auf der Zirkellinie zu reiten, im Slalom durch die Pylonen hindurch. Das Pferd muss hier im relativ schnellen Wechsel die Biegung ändern. Reite das ganze zunächst eher flach und übe zuerst im Schritt. Später kannst du diese Übung auch im Trab oder Tölt reiten. Vergiss nicht, öfters die Hand zu wechseln und lege viele Pausen im Geradeaus ein, da diese Übung für das Pferd ziemlich anstrengend ist.

Versuche bewusst, diese Übung aus dem Sitz heraus zu reiten und deine Hilfen auf das nötige Minimum zu reduzieren. Die visuelle Unterstützung durch die Pylonen helfen dir und deinem Pferd ganz automatisch dabei, den richtigen Weg zu finden. Sie machen diese Übung zudem zu einer spielerischen Abwechslung im Trainingsalltag.

Variationen: Du kannst diese Übung noch zusätzlich mit Übergängen zwischen den Gangarten kombinieren, oder auch immer mal wieder ein Durch-den-Zirkel-wechseln einbauen. Dadurch erhöht sich der Schwierigkeitsgrad. Fortgeschrittene Reiter stellen sich eine weitere Reihe Pylonen parallel zu den ersten in etwa 50 cm Abstand auf, so dass sie immer 2 Pylonen umrunden müssen. Dadurch werden die Bögen größer und die Übung wird viel anspruchsvoller.

Das wird gefördert:

  • Koordination von Pferd und Reiter
  • Feinabstimmung der Hilfen
  • Der Wechsel von Schub- und Tragkraft
  • Geschmeidigkeit und Balance auf beiden Händen

Mittelzirkel und Volten

Übungsaufbau: Geh zunächst auf den Mittelzirkel. Immer, wenn du nun über die Mittellinie reitest, stellst du dein Pferd nach außen um und reitest eine Volte Richtung A bzw. Richtung C. Danach wieder umstellen und auf den Mittelzirkel gehen. Achte dabei drauf, dein Pferd zwischen den Volten-Mittelzirkel-Übergängen für eine Pferdelänge gerade zu richten, bevor du die neue Richtung einschlägst. Auch ganz wichtig: Öfters die Hand wechseln und immer mal wieder ein wenig Geradeaus reiten, um das Pferd nicht zu überfordern. Beginne wie immer im Schritt und reite das ganze dann, wenn es im Schritt gut funktioniert, im Trab oder Tölt.

Variationen: Eine schöne Übung ist es, zusätzlich Tempovariationen mit aufzunehmen (z.B. den Mittelzirkel im Arbeitstempo und die Volten im versammelten Tempo zu reiten), oder Übergänge zwischen den Gangarten mit einzubauen. Sehr spannend wird es, wenn in dieser Übung auch mit weniger Stellung als gewöhnlich und mit Außenstellung variiert wird. Reite z.B. diese ganze Übung einmal durch, und versuche, dein Pferd dabei so gerade wie möglich zu halten – das Gegenteil von Biegung also. So erhältst du eine gute Kontrolle über Vor- und Hinterhand. Oder reite die Volten in Innenstellung und biege dann, ohne Umzustellen, auf den Mittelzirkel ab – reite diesen also in Außenstellung. Oder umgekehrt.

Das wird gefördert:

Durch diese Übung ergibt sich ein ständiger Handwechsel mit unterschiedlichen Graden an Stellung und Biegung. Besonders, wenn du noch verschiedene Intensitäten von Stellung und Biegung mit dazu nimmst, erhältst du eine gute Kontrolle über Vor- und Hinterhand. Zudem verbessert diese Übung:

  • Die Feinabstimmung der Hilfen
  • Geschmeidigkeit und Balance auf beiden Händen
  • Wechsel von Schub- und Tragkraft

Trainingstipp: Vielen Reitern fällt es am Anfang schwer, den Mittelzirkel genau zu reiten und ihr Pferd wirklich über der Mittellinie einmal vollständig gerade zu richten. Ein einfaches Hilfsmittel: Stell dir jeweils ein „Tor“ aus Pylonen an die Stelle, an der du dein Pferd umstellen musst. Reite einfach ganz gerade hindurch. Diese optische Unterstützung gibt nicht nur dir am Anfang eine wertvolle Orientierung, sondern hilft auch deinem Pferd, den Übungsaufbau besser zu verstehen.


„Das L“ oder „die 8“ (rückwärts geritten)

Übungsaufbau: Aus dem Trail kennst du vielleicht das Stangen-L. Hierzu wird aus Stangen eine Gasse gebildet, die einen rechten Winkel beinhaltet. Zunächst musst du vorwärts hinein reiten, und dann rückwärts wieder raus. Du musst also rückwärts-gebogen reiten. Dies erfordert einiges an Konzentration. Reite diese Übung besonders ruhig und langsam, so dass du jeden einzelnen Schritt dieses Pferdes gezielt beeinflussen kannst. Besonders beim Um-die-Ecke-Reiten solltest du dir viel Zeit lassen, denn es kommt auf die Feinabstimmungen der Hilfen an. Klappt das ganze schon ganz gut, kannst du auch einmal probieren, zunächst eine halbe Volte und danach eine 8 zu reiten. Natürlich rückwärts! Achte dabei darauf, dass du auf beiden Händen gleich große Kreise reitest und natürlich, dass du jeden einzelnen Schritt deines Pferdes bestimmst.

Das wird gefördert:

  • Koordination von Pferd und Reiter
  • Geschmeidigkeit und Balance
  • Feinabstimmung der Hilfen
  • Schulter- und Hinterhandkontrolle

Trainingstipp: Bist du noch nicht so erfahren im Trailreiten, baue dir das Stangen-L zunächst sehr breit auf, um zu vermeiden, dass dein Pferd auf die Stangen tritt und verunsichert wird. Um dein Pferd zunächst an die Übung zu gewöhnen, kannst du den „Knick“ auch zu Anfang abflachen. Es muss nicht von Beginn an ein rechter Winkel sein. Mach es deinem Pferd und dir bei den ersten Versuchen leicht, damit ihr mit einem guten Gefühl an die neue Übung herangehen könnt. Auch ein Helfer am Boden kann gute Dienste leisten.

 

Die Volten-8 rückwärts geritten setzt schon einiges an Koordination voraus. Erarbeite sie dir in kleinen Schritten. Um das „Rückwärts um die Ecke reiten“ etwas zu vereinfachen, hilft es vielen Pferden, wenn man dies erstmal in einer Ecke der Reitbahn übt. Klappt das, kannst du die Übung in das Innere der Bahn verlegen.  


Trailreiten

Im Trailparcours gibt es zahlreiche weitere Hindernisse, die mit gebogenen Linien arbeiten: der Slalom, und der Doppelslalom, die 3 Tonnen, der Pferch usw. Grundsätzlich haben diese alle den Vorteil, dass sie auch optische Hilfen für Pferd und Reiter bieten. So macht das Reiten gleich beiden Seiten viel mehr Spaß und fällt einfach leichter!

Zudem kannst du bereits beim Reiten selbst merken, ob du alles korrekt reitest – sonst fällt i.d.R. irgend etwas um. Daher sind Trailhindernisse super, um sie in das alltägliche Training (ohne Reitlehrer) einzubauen und sich selbst zu überprüfen.

 

Zum Thema Trailreiten haben wir ein sehr umfangreiches Trainings-Tutorial für dich. Darin werden die Hindernisse genauer beschrieben und du bekommst viele Trainigs-Tipps für Einsteiger bis zum fortgeschrittenen Reiter. Schau es dir doch mal an:

Umfangreiches Lehrvideo + Artikel: Working Equitation besser reiten


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Übergänge: Die besten Übungen für ein fittes Pferd – Teil 2: Übergänge richtig reiten

Arbeit an der Hand: Die besten Übungen für ein fittes Pferd – Teil 3: Langzügelarbeit und die gewichtslose Arbeit an der Hand

 

Geländereiten: Die besten Übungen für ein fittes Pferd – Teil 4: Ausreiten und Training im Gelände

 


Die Autorinnen:

 

 

 


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