Was packst du deinem Pferd da eigentlich ins Maul? Gebisse: Das solltest du wissen – Teil 1

Viele von euch hatten sich gewünscht, dass wir hier auf der Seite einmal das Thema „Gebisse“ näher beleuchten. Und das machen wir gern.

Wir sind froh, dass wir Marina Wroblowski dafür gewinnen zu konnten, hier ihre Gedanken zum Thema Gebisse mit euch zu teilen.

Marina hat sich sehr umfassend mit dem Thema „Gebisse und ihre Wirkung“ beschäftigt. An dieser Stelle teilt sie in den kommenden Wochen ihr Wissen mit euch. Heute starten wir mit Teil 1 dieser Serie rund um Gebisse und ihre Wirkung.  

Wir beleuchten in Teil 1 dieser Serie Fragen wie:

  • Was macht das Gebiss eigentlich mit dem Pferd?
  • Warum reiten wir überhaupt mit Gebiss?
  • Welche 3 Grund-Parameter solltest du beachten, um das richtige Gebiss für dein Pferd auszuwählen?
  • Welche Folgen kann es haben, wenn das Gebiss nicht passt?

 


⚜️ Gebisse: Das solltest du wissen ⚜️

 

Teil 1: Reiten mit Gebiss – Warum machen wir das eigentlich, und worauf musst du achten?

Wenn man sich auf die Suche nach dem richtigen Trensengebiss für sein Pferd begibt, dann findet man sich schnell in einem wahren Urwald aus Formen, Materialien, Wirkungsversprechen und Wunderwerkzeugen wieder. Und so ziemlich jeder Reiter / Trainer / Pferdemensch hat „den ultimativen Tipp“.

 

Aber fangen wir von vorne an. Warum schnallt man überhaupt ein Gebiss in das Pferdemaul? Das ist ja schon ein sehr intimer Eingriff in die Privatsphäre des Tieres. Stell dir mal vor, du würdest an einem in deinem Mund befindlichen Metallstück umher geführt. Sobald du entscheidest deinen Kopf in eine andere, als die gewünschte Richtung zu drehen, entsteht ein empfindlicher Druck auf deinen Mund, wenn nicht sogar daran geruckt wird.

Zudem ist das Pferdemaul bzw. der gesamte Pferdekopf mit etlichen Nerven und feinen Muskeln sehr sensibel. Bevor wir uns als Reiter anmaßen die Zügel in die Hand zu nehmen, sollten wir uns über die ethische Verpflichtung klarwerden, unserem Pferd keinen Schaden mit dem Gebiss zuzuführen und gewissenhaft mit seinem sensiblen Körperteil umzugehen.

Dabei begleitet das Gebiss die Reiterei schon sehr lange. Schon seit Ende des 3. Jahrtausend v. Chr. verwenden Menschen Knochen oder Geweihteile im Pferdemaul, um es gefügig zu machen. Reiterstatuen und alte Bilder zeigen nahezu ausschließlich Pferde mit Gebiss im Maul. Das Reiten mit Gebiss ist also üblich und als Standard anerkannt.

Und machen wir uns nichts vor: Natürlich nutzen wir die Sensibilität des Pferdemauls, um es zu „kontrollieren“. Gerade Geländereiter sind versicherungstechnisch sogar oftmals dazu angehalten, mit Gebiss zu reiten. Gebisslose Reiterei muss oftmals extra mitversichert sein! Man kennt also das Gebiss als Maßnahme zur „Zügelung“ des Pferdes. Doch ein Gebiss im Pferdemaul kann so viel mehr und ist im klassischen Sinne ein fantastisches Werkzeug zur Gymnastizierung.

 


Diese 3 Parameter solltest du kennen und z.B. beim Kauf von Gebissen beachten (und diese Fehler solltest du vermeiden):

Ein Gebiss muss selbstverständlich passen. Aber welche Parameter sollten wir beachten? Es gibt einige, die du ganz einfach selber überprüfen kannst:  

 

Die Länge des Gebisses An wichtigster Stelle steht die korrekte Länge des Gebisses. Bei gebrochenen Gebissen gilt die Faustregel, dass an beiden Seiten jeweils 0,5 cm aus dem Maul herausschauen sollen. Stangen sollten bündig zum Pferdemaul anliegen. Die falsche Gebisslänge hat entscheidende negative Auswirkungen auf das Pferdemaul, die es unbedingt zu vermeiden gilt! Ein zu langes Gebiss kann mitunter die Zunge und die Laden heftig einklemmen und es kann zu einem Aufstellen des Gebisses kommen, in dem der Mittelteil dann schmerzhaft gegen den Gaumen drückt. Zudem legt sich ein zu langes Gebiss mit ziemlicher Sicherheit schief ins Pferdemaul, womit eine korrekte feinfühlige Zügelführung ad absurdum geführt wird. Bei einer zu langen Stange ist der negative Effekt nicht ganz so stark, vorausgesetzt es findet eine korrekte Zügeleinwirkung statt.

 

Tipp: Mithilfe von Gummiringen seitlich an der Trense kann man das Gebiss etwas verkleinern und das Gebiss ruhiger ins Maul legen. Ein zu kurzes Gebiss klemmt die Maulwinkel des Pferdes empfindlich ein und verursacht dadurch Schmerzen, mit denen das Pferd sicher nicht entspannt laufen wird. Zudem kann es passieren, dass die Haut der Maulwinkel im Durchlauf der Gebissringe eingequetscht wird, wenn das Gebiss zu kurz ist. Deshalb sollte man auch alte Gebisse, deren Ring-Durchläufe schon ausgeschlagen sind, aussortieren, um genau das zu vermeiden.  

 

 

Die Stärke des Gebisses

Gebisse gibt es in Stärken von 8 -18 mm. Das ist eine große Spannweite, wenn man bedenkt, dass in einem Warmblut-Maul mitunter im Durchschnitt nur 15 mm Platz für ein Gebiss sind.

Der Abstand zwischen Ober- und Unterkieferästen eines Warmbluts liegt bei ca. 3,5 cm, davon muss die Dicke der Zunge von etwa 2 cm abgezogen werden. Die passende Gebissstärke für das jeweilige Pferdemaul zu finden, bedarf also einiger Überlegungen. Generell sagt man „je dünner das Gebiss, desto schärfer die Wirkung“. Ein dünnes, also scharfes Gebiss, wirkt mit punktuellerem Druck im Pferdemaul, während sich bei einem dickeren, also weicheren Gebiss der Druck auf einer größeren Fläche verteilt. Soweit zumindest die Physik dahinter.

Nicht umsonst gibt es aber ebenfalls den tollen Satz, dass „ein Gebiss nur so scharf ist, wie die Hand, die es führt“! Das heißt, ein noch so scharfes oder dünnes Gebiss kann eine tolle Unterstützung für das gymnastizierende Reiten sein, während das dicke, vermeintlich weiche, Gebiss in groben Reiterhänden zu einem wahren Folterwerkzeug werden kann.

Prinzipiell sollte die Dicke des Gebisses immer an das Pferdemaul angepasst sein. Am besten befragt man hierzu seinen Pferde-Zahnarzt, der einem Auskunft über die Dicke der Zunge, die Wölbung des Gaumens und den Abstand beider Unterkieferäste geben kann.

Auch die Beschaffenheit der Maulwinkel spiet eine Rolle bei der Wahl des richtigen Gebisses. Eigentlich klingt es logisch, dass in ein Ponymaul niemals ein so dickes Gebiss hineinpasst, wie es in das Maul eines Warmblüters passen würde.

Das ist gerade für uns Gangpferde-Reiter wichtig, zu beachten. Denn die meisten Gangpferderassen sind eher im Pony- bzw. Kleinpferdeformat mit feingliedrigen Köpfen. Das bedeutet für die Gangpferdereiterei auch, dass wir generell eher dünnere Gebisse verwenden sollten, schon allein, damit diese in die zierlichen Pferdemäuler hineinpassen.

Zeichnung: Marina Wroblowski

Man sollte sich also von den Aussagen über dünne scharfe Gebisse nicht zu sehr abschrecken lassen, sondern gewissenhaft und realistisch das Pferdemaul mit dem ausgewählten Gebiss betrachten. Und – ganz wichtig: Man sollte immer auf die Meinung des Pferdes zu der Gebisswahl hören.

 

 

Das Gewicht des Gebisses

Je nach Material und Mach-Art unterscheiden die unterschiedlichen Gebisse sich teilweise sehr in ihrem Gewicht.

Dabei ist klar, dass ein schweres Gebiss mehr Druck auf die Strukturen im Pferdemaul auslöst, als ein leichtes. Auch verständlich ist, dass ein schweres Gebiss ruhiger im Maul liegt, als ein leichtes. Man kann also vermuten, dass temperamentvolle, maul-affine Pferdetypen, die sich sehr viel (vielleicht zu viel) mit dem Gebiss beschäftigen, unter Umständen zufriedener mit einem schwereren Gebiss laufen.

Andersrum kann man sich vorstellen, dass ein eher maulfaules Pferd durch das Gewicht des Gebisses angeregt wird zu kauen, weil mehr Druck auf die Zunge ausgeübt wird. Wie rum man es auch dreht, man kann sich jedes Gebiss-Gewicht schön reden. Letzendlich muss man, wie so oft, ausprobieren, welches Gewicht das eigene Pferd mag und zufrieden annimmt.

 

 

 

 


Hier geht’s weiter mit dem nächsten Teil dieser Serie

 

Im zweiten Teil dieser Serie beantworten wir Fragen wie:

  • Welchen Einfluss hat das Gebiss auf den Pferdekopf?
  • Was hat das alles mit dem Reithalfter zu tun?
  • Wie viel Zügeldruck ist eigentlich okay?
  • …und vieles mehr.

Klicke hier, um direkt zum Beitrag zu gelangen:      

Was macht das Gebiss mit dem Pferd? Gebisse: Das solltest du wissen – Teil 2

 


Die Autorin:

Marina Wroblowski ist FN Trainerin A (Gangreiten), Diplom Pädagogin und staatlich anerkannte Tierpsychologin. Zudem ist sie Vorsitzendsmitglied der American Saddlebred Horse Association (ASHA)

 

 


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