Das Bauchergebiss & Mischformen – Gebisse: Das solltest du wissen – Teil 6


Im heutigen Teil der Serie „Gebisse – das solltest du wissen“ geht es vor allem um ein Gebiss, das im Moment sehr beliebt ist: das Bauchergebiss. Aber auch um eine weitere „Gebissform“ (im weitesten Sinne): Flexible Gebisse. Wir beantworten Fragen wie:

  • Hat das Baucher-Gebiss eine Hebelwirkung?
  • Wie wirkt es beim Reiten?
  • Warum finden viele Pferde das Baucher-Gebiss so angenehm?
  • Welche flexiblen Gebisse, also Mischformen zwischen gebrochenen Gebissen und Stangengebissen gibt es?
  • Wie wirken diesen?
  • u.v.m.

Die Autorin: Marina Wroblowski ist FN Trainerin A und Tierpsychologin und teilt in dieser Serie ihr Fachwissen rund um das Thema „Gebisse“ mit uns.

 


⚜️ Gebisse: Das solltest du wissen ⚜️

Das Bauchergebiss und weitere Mischformen


Das Bauchergebiss 

Im vorherigen Artikel haben wir die Gebisse mit Hebelwirkung bereits erläutert. Eindeutig NICHT zu den Gebissen mit Hebelwirkung zählt jedoch das Baucher-Gebiss. Fälschlicher geistert immer noch der Mythos in der Reiterwelt umher, dass Bauchergebisse eine Hebelwirkung hätten.

Das Bauchergebiss kann jedoch aufgrund seiner Bauart und Verschnallung keine Hebelwirkung entfalten. Es hat nämlich zwar einen kleinen Oberbaum, aber verfügt weder über einen Unterbaum noch wird es mit Kinnkette verwendet. Um jedoch eine Hebelwirkung zu erzielen, bräuchte man einen zweiten Hebelarm sowie idealerweise eine „Befestigung“ (also eine Kinnkette) als Drehpunk (mehr über die Funktionsweise von Hebelgebissen findest du im vorherigen Beitrag dieser Serie „Gebisse mit Hebelwirkung“). Da das Bauchergebiss allerdings keinen Unterbaum und keine Kinnkette besitzt, fehlen auch diese beiden Elemente eines Hebels. Wer in Physik aufgepasst hat, weiß das. So lässt sich ganz leicht erklären, warum das Bauchergebiss keine Hebelwirkung haben kann.

Trotzdem ist die Wirkweise dieses Gebisses sehr spannend in der klassischen Dressurausbildung eines Reitpferdes: 

Zeichnung: Marina Wroblowski

Die von dem französischen Reitmeister Francois Baucher ersonnene Gebissform hat einige sehr interessante Effekte auf das Mundstück und die Wirkung am Pferdekopf, weshalb viele klassische Reiter dieses Gebiss gern einsetzen.

Das Bauchergebiss hat tatsächlich etwas die Form eines B’s, sprich einen kleinen Ring oberhalb und einen großen Ring am Mundstück direkt befestigt. Der große Ring ist nicht durchlaufend, das heißt das Mundstück wird ganz gerade im Maul platziert, auch wenn es ein gebrochenes Mundstück ist.

Das Bauchergebiss gibt es sowohl einfach, als auch doppelt gebrochen und als Stangengebiss. (Tipp: mehr über die Wirkung von gebrochenen Gebissen findest du in diesem Beitrag)

Beim Annehmen des Zügels wird das Gebiss im Maul leicht angehoben und der Druck wird vom Genick weg genommen. Viele Pferde empfinden diese Wirkung als sehr angenehm. Zusätzlich wirken die Seitenteile des Bauchergebisses bei einer seitwärts weisenden Zügelhilfe ähnlich einer Schenkeltrense und unterstützen auf sensible Art die Reiterhand in der Gymnastizierung des Pferdes.

Dieser positive Aspekt gilt allerdings nur für die Baucher-Varianten mit gebrochenem Mundstück. Die Stangen-Bauchergebisse werden von der wissenden Reiterhand nicht seitwärts weisend eingesetzt. Auf die Stangengebisse gehen wir im kommenden Beitrag übrigens näher ein.


Flexible Gebisse – Mischform aus Stange und gebrochenem Gebiss

Bevor wir uns in dem Beitrag, der in ein paar Tagen erscheint, den Stangengebissen widmen, möchte ich hier noch einmal den Übergang nutzen, um kurz auf ein „Mittelding“ zwischen gebrochenen Gebissen und Stangengebissen einzugehen.

Neben den reinen Stangengebissen und den gebrochenen Gebissen gibt es noch ein paar Mischformen, zum Beispiel die flexible Stange, welche im Mittelteil des doppelt gebrochenen Mundstückes einen Gummiteil hat, welcher zwar eine gewisse Gebissflexibilität zulässt, aber doch eher wie eine Stange wirkt. 

Leder, Gummi, Kunststoffe & Co. im Pferdemaul

Oder ein Ledergebiss, welches auch eine gewisse flexible Weichheit mit sich bringt, letztendlich aber trotzdem die Wirkung einer Stange hat. Ob es einem Pferd als Pflanzenfresser so angenehm ist, auf einem Stück verarbeiteter Tierhaut herum zu kauen, ist eine Frage, die man sicher kontrovers diskutieren kann.

Diverser Gummigebisse haben ebenfalls Stangenwirkung. Obwohl man bei Gummi im Pferdemaul immer bedenken sollte, dass der Gummi sicher nicht sehr angenehm auf den Laden ist, wenn Reibung entsteht. Auch an den Maulwinkeln stelle ich mir Gummimaterial nicht sehr angenehm vor.

Aus der Kiste der besonders billigen Gebisse (was das Nachdenken der Erfinder angeht) empfinde ich die Plastikgebisse als ein absolutes No-Go im Pferdemaul. Abgesehen davon, dass es sicher nicht gesund ist, auf einem Stück Plastik herum zu lutschen, gibt es auch Mikro-Kanten von der Herstellung dieser Gebisse, welche sich wirklich unangenehm in die Zunge und das Zahnfleisch stechen. Außerdem entstehen weiter kleine mitunter sehr scharfe Kanten, wenn das Pferd das Plastikgebisse zwischen die Zähne bekommt.

In einigen südamerikanischen Ländern werden für Jungpferde Seil-Gebisse genutzt. Die „Schärfe“ eines solchen Gebisses sollte man nicht unterschätzen. Natürlich regen sie das Pferd zum kauen an und geben der Zunge viel Spielraum, geben bei bloßen liegen im Maul kaum Druck an das Maul ab und passen sich jeder Zungenform an. Allerdings ist ein angenommener Zügel an einem Seilgebiss auch ein Statement. Man bedenke was einem selber an der Hand angenehmer wäre: Einen gefüllten Wassereimer mit Metallhenkel oder mit Seil zu tragen? Dieses Bild dient nur der Veranschaulichung. Nicht dass wir den Zügelzug eines vollen Wassereimers am Pferdemaul haben…

 


Du hast einen Teil dieser Serie verpasst? Dann klick dich rein!

Wir beantworten in dieser Serie spannende Fragen rund um das Thema Gebiss, z.B.:

  • Welches Gebiss passt zu welchem Pferd und Reiter?
  • Welche Wirkung hat ein welches Gebiss, gebisslose Zäumungen und Kandaren?
  • Welchen Effekt haben z.B. die Ringe des Gebisses beim Reiten?
  • Was ist der Unterschied zwischen verschiedenen Materialien?
  • Wie finde ich heraus, welches Gebiss meinem Pferd passt?
  • …und vieles mehr

Klick dich rein und lies gleich weiter!

Gebisse – das solltest du wissen: Die 7-teilige Serie

 


Die Autorin:

Marina Wroblowski ist FN Trainerin A (Gangreiten), Diplom Pädagogin und staatlich anerkannte Tierpsychologin. Zudem ist sie im Vorstand der American Saddlebred Horse Association (ASHA)

 

 


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