Einfach gebrochen oder doppelt gebrochen? Gebisse: Das solltest du wissen – Teil 3


Im heutigen Teil der Serie „Gebisse – das solltest du wissen“ geht es um folgenden Fragen:

  • Welchen Einfluss haben die verschiedenen Formen von Gebissen?
  • Wie wirken einfach gebrochene Wassertrense, doppelt gebrochene Wassertrense und Stange?
  • Was hat es mit anatomischen Formen und der Zungenfreiheit auf sich?
  • u.v.m.

Marina Wroblowski ist FN Trainerin A und Tierpsychologin und teilt in dieser Serie ihr Fachwissen rund um das Thema „Gebisse“ mit uns.

 

 


⚜️ Gebisse: Das solltest du wissen ⚜️

 

Teil 3: Einfach gebrochen oder doppelt gebrochen, anatomisch oder nicht – was bewirkt die Gebiss-Form?


Einfache und doppelt gebrochene Wassertrense

Die einfachen Gebisse haben zwei grundlegende Formen: Einfach und doppelt gebrochen. Früher galt die doppelt gebrochene Trense als die „harmlosere“, für Jungpferde geeignete, weil weicher im Maul einwirkende.

Durch vielfältige tolle Studien und Messungen ist man mittlerweile schlauer und kann sich ein Bild darüber machen, wie sowohl die einfach als auch die doppelt gebrochene Trense wirken. Neben der einfachsten Form des durchlaufenden Ringes gibt es Kombinationen der einfachen oder doppelt gebrochenen Trense mit Olivenkopf oder D-Ring, Knebel-bzw. Schenkeltrensen. Zusätzlich hat der Reiter die Möglichkeit Gebissringe aus Gummi (oder anderen Materialien) seitlich an den Ringen zu befestigen. 

Betrachten wir zuerst die einfachste Form der Trense, die einfach gebrochene Wassertrense. Diese Trense wirkt in erster Linie auf die Laden, also die Unterkieferäste und auf die Zungenseiten. Bei sehr starkem beidseitigem Zug kann ein Nussknacker-Effekt auftreten, also das Quetschen der Unterkieferäste. Das Gebiss kann dabei auch oben an den Gaumen stoßen, aber machen wir uns nichts vor: Wenn wir so stark am Pferdemaul ziehen, haben wir entweder ein ernsthaftes Problem mit dem Pferd, in dem es wahrscheinlich nicht in erster Linie um feines Reiten geht. Die Zunge hat einen Gewissen Spielraum und erfährt keinen Druck in der Mitte.

Der mitdenkende Reiter sollte sich an dieser Stelle einige Wassertrensen, die bestimmt im Stall vielzählig vorzufinden sind, einmal näher anschauen. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass sehr viele einfach gebrochene Wassertrensen unterschiedlich lange und unterschiedlich dicke Seitenteile haben. Außerdem ist die Dicke der Seitenteile oftmals unterschiedlich, das kürzere Seitenteil ist gleichzeitig das etwas dickere.

Das hat natürlich direkte Auswirkungen auf das Pferd in seiner Schiefe, da die seitliche Zügeleinwirkung durch die Länge des Seitenteiles eindeutig den Pferdekopf beeinflusst. Ist ein Pferd beispielsweise auf der Seite steif, auf welcher der längere Teil der einfach gebrochenen Trense liegt, so  wird die gymnastizierende Reiterhand mit dem langen Seitenteil nicht so wirkungsvoll sein, wie mit dem kürzeren Seitenteil. Das Gebiss liegt dann sowieso schon leicht schief im Maul und begünstigt unter Umständen die natürliche Schiefe!

Die Verbindung in der Mitte des einfach gebrochenen Gebisses wirkt direkt auf die Zunge, solange das Gebiss ohne Zügelkontakt im Maul liegt. Aber auch hier sehen wir bei genauer Betrachtung , dass viele Gebisse einseitig schief im Maul liegen. Bei sehr empfindlichen Pferden kann das dazu führen, dass sie die Zunge etwas schief ziehen, um dem einseitigen Druck zu entgehen. Glücklicherweise gibt es mittlerweile einige wirkliche tolle Gebiss-Hersteller, die dieses Problem erkannt haben und Gebisse kreiert haben, die gleichlange Seitenteile aufweisen und eine ausgeklügelte mittig und ohne besondere hervorzuhebende Druckspitzen liegende Ringverbindung auf der Pferdezunge haben. 

Ein kleiner Ausflug in die ausländische Gangpferdereiterei sei an dieser Stelle erlaubt: In Amerika und Südafrika ist es üblich bei einseitig steifen Pferden einfach gebrochene Gebisse zu verwenden, deren eines Seitenteil aus gedrehtem Vierkantstahl bestehen, während das andere Seitenteil normal rundes Material hat. Das Gebiss wird dann so in das Pferdemaul eingeschnallt, dass die vermeintliche steifere Seite mit dem gedrehten Vierkantstahl bearbeitet werden kann.

Das doppelt gebrochene Wassergebiss hat drei im Maul befindliche Teile, zwei Seitenteile und ein Mittelstück, welches ebenfalls in unterschiedlichsten Formen, Ausführungen und Materialien zu finden sind. Auch ist natürlich wieder nichts dem Zufall überlassen.

Jede Form wirkt sich anders auf das Pferdemaul aus, zumal bei einem doppelt gebrochenen Gebiss die Wirkung stark auf der Zunge stattfindet und sich aber auch gleichmäßig auf die Laden und Zungenseiten verteilt. Ob ein Pferd den Druck auf der Zunge mag oder nicht, sollte immer individuell ausprobiert werden. Es gibt kein pauschales gut oder schlecht.

Der Vorteil gegenüber der einfach gebrochenen Wassertrense ist tatsächlich die gleichmäßige Druckverteilung, denn durch das Mittelstück sind zumindest beide Seitenteile gleichlang und wirken sich dahin gehend nicht negativ auf die Schiefe aus. Die Verbindungsringe zum Mittelstück sollten dennoch recht klein gewählt werden, da sonst unangenehmer Druck an den Gaumenrändern entstehen kann (nicht muss).

Das Mittelstück an sich ist auch wieder reine Geschmacksache des Pferdes. Man sollte sich lediglich bewusst machen, dass ein flaches Kupferplättchen natürlich anders auf der Zunge liegt, als ein olivenförmig rundes Mittelstück. Bei kleinen Rassen, zum Beispiel dem Isländer, sollte man dringend darauf achten, dass das Mittelstück nicht zu groß, sprich zu lang, ist, da gerade der Isländer einen sehr schmalen Unterkiefer hat.

Ist das Mittelstück dann zu lang, kann es sein, dass es die Unterkieferäste quetscht. Nicht zu unterschätzen ist auch der Druck, den man durch Zügeleinwirkung mit dem doppelt gebrochenen Gebiss an den Zungenkanten ausübt. Manchen Pferden kann das psychischen Stress bereiten und regt dann nicht zum kauen sondern zum hochziehen der Zunge an, oder quetscht diese zwischen den Unterkieferästen ein, was genau den gegenteiligen Effekt hat, als zu gymnastizieren und zu lösen.


Anatomische Form, Zungenfreiheit und Zungenstrecker

Zeichnung: Marina Wroblowski

Bevor wir zu den Ring-Varianten kommen, ein kurzer Gedankengang zu anatomisch geformten Gebissen. Prinzipiell ist der Grundgedanke eines anatomischen Zaums richtig und lobenswert. Ein leicht gebogenes Gebiss legt sich angenehmer ins Pferdemaul, als ein starres gerades Stück. Grundvoraussetzung ist hierbei, wie eigentlich immer, die korrekte Gebisslänge, da sonst die Wirkung und Druckverteilung nicht ideal gegeben ist. Eine falsch gewählte Gebissgröße kann dann leicht zu Quetschungen der Maulwinkel oder Laden führen. 

Auch sollte man genau hinschauen wenn es um so  genannte „Zungenfreiheit“ geht. Das erst so nett klingende Wort täuscht über die tatsächliche Wirkung hinweg und geht aus einer Fehlannahme früherer Zeiten hervor. Eine Zungenfreiheit bedeutet eine mehr oder weniger stark gewinkelte Wölbung des Gebisses nach oben Richtung Gaumen. Je nach Höhe der Wölbung und Stärke des Winkels kann es zu unangenehmen Druckspitzen am Gaumen und an den Zungenseiten oder den Laden kommen.

Die Zunge erfährt dabei allerdings keinesfalls mehr Freiheit, sondern wird im Gegenteil oftmals in die enge Wölbung des Gebisses hinein gedrückt. Die traditionellen Gebisse der Paso Peruanos und Paso Finos nutzen dieses Wirkung teilweise absichtlich um künstlich eine Nachgiebigkeit zu erzeugen. Die hohe Zungenfreiheit dieser Gebisse und der daraus resultierende Druck im Gaumen veranlassen das Pferd, dem Druck nach unten auszuweichen. 

Auch häufig bei den Pasos, aber auch den amerikanischen Gebissen zu finden ist der sogenannte Zungenstrecker, ein Mittelstück im Gebiss bestehend aus einem Metallring oder einem Metallplättchen, welches flach auf dem vorderen und/oder hinteren Teil der Zunge aufliegt und rein mechanisch dafür sorgt, dass das Pferd die Zunge nicht so leicht über das Gebiss nehmen kann.

Nicht allen Pferden hilft der Zungenstrecker wirklich bei der Problembehebung , manche fühlen sich dadurch unter Druck gesetzt und werden noch unzufriedener im Maul. Bei anderen wirkt dieser Zungestrecker wie gewünscht und hilft bei der Findung der richtigen Zungenlage.

Das Aussehen der Zungenstrecker-Gebisses ist zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch hier sollte man nicht vorschnell urteilen, sondern individuell das Pferd entscheiden lassen, was es als angenehm und hilfreich empfindet. 


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Wir beantworten in dieser Serie spannende Fragen rund um das Thema Gebiss, z.B.:

  • Welches Gebiss passt zu welchem Pferd und Reiter?
  • Welche Wirkung hat ein welches Gebiss, gebisslose Zäumungen und Kandaren?
  • Welchen Effekt haben z.B. die Ringe des Gebisses beim Reiten?
  • Was ist der Unterschied zwischen verschiedenen Materialien?
  • Wie finde ich heraus, welches Gebiss meinem Pferd passt?
  • …und vieles mehr

Klick dich rein und lies gleich weiter!

Gebisse – das solltest du wissen: Die 7-teilige Serie

 

 


Die Autorin:

Marina Wroblowski ist FN Trainerin A (Gangreiten), Diplom Pädagogin und staatlich anerkannte Tierpsychologin. Zudem ist sie im Vorstand der American Saddlebred Horse Association (ASHA)

 

 


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