Wie viel Vorwärts braucht das Pferd?

Wie viel Vorwärts braucht das Pferd – und ist langsam gleich versammelt?

Von Energie, Balance und dem richtigen Maß

„Reite dein Pferd vorwärts und richte es gerade.“ Ein berühmter Satz von Gustav Steinbrecht – oft zitiert, aber ebenso oft missverstanden. Denn Vorwärts bedeutet nicht Geschwindigkeit, sondern Energie, Durchlässigkeit und Tragkraft. Ein Pferd, das mit aktiver Hinterhand unter den Schwerpunkt tritt, wird sich harmonisch bewegen. Doch wie findet man das richtige Maß? Und was passiert, wenn es fehlt – oder übertrieben wird?

Vorwärts ist nicht gleich schneller

Viele Reiter setzen „vorwärts reiten“ mit „schneller reiten“ gleich. Doch ein übertriebenes Tempo führt selten zum Ziel. Ein Pferd, das hastig läuft, kippt auf die Vorhand, verspannt sich und verliert seine Balance. Es läuft nicht vorwärts, sondern davon. Ebenso problematisch ist das Gegenteil: Ein zu langsames Tempo geht oft mit mangelnder Schubkraft und fehlender Durchlässigkeit einher. Das Pferd wird schwerfällig, die Anlehnung leidet. Und die Gelenke werden stärker belastet. Das ideale Grundtempo ist individuell. Ein bewegungsstarker Warmblüter mit gutem Reitpferde-Gebäude findet oft von selbst in ein schwingendes Vorwärts, während ein kompakter Kaltblüter mehr Impuls benötigt. Auch das Alter und der Ausbildungsstand spielen eine Rolle: Junge Pferde müssen erst lernen, sich auszubalancieren, während erfahrene Pferde (hoffentlich) gelernt haben, ihr Tempo gut selbst zu finden.

Das richtige Maß an Energie

Gutes Vorwärts zeigt sich nicht in der Geschwindigkeit, sondern in der Qualität der Bewegung:Rhythmus – ein gleichmäßiges Gangbild ohne Eilen oder Stocken. ✔ Balance – das Pferd trägt sich selbst, ohne auf die Vorhand zu kippen. ✔ Losgelassenheit – geschmeidige Bewegungen ohne Verspannung. ✔ Durchlässigkeit – das Pferd reagiert fein auf Hilfen, ohne Widerstand oder Hektik. Ein Pferd, das sich im richtigen Maß vorwärts bewegt, fühlt sich frei an. Es kommt nicht ins Rennen, sondern bleibt leicht in der Hand, tritt aktiv unter und nimmt die Hilfen willig an. Der Rücken schwingt, die Anlehnung ist konstant, halbe Paraden kommen durch. Übrigens: Einen Test, der dir verrät, ob du mit deinem Pferd auf dem richtigen Weg im Training bist, haben wir hier für dich!

Feine Hilfen statt Dauer-Treiben

Oft sieht man Reiter, die ihr Pferd permanent antreiben – ein Zeichen dafür, dass das Hilfenverständnis nicht stimmt. Ein korrekt gerittenes Pferd sollte nach der ersten treibenden Hilfe das Vorwärts beibehalten. Ständiges Treiben stumpft das Pferd ab und führt nicht zu echter Tragkraft. Wichtig ist daher, feine Impulse zu setzen: Eine klare, deutliche Hilfe – dann Ruhe. Das Pferd lernt so, sich selbst zu tragen, anstatt auf ständigen Druck zu warten. Es geht nicht darum, das Pferd schneller zu machen, sondern es dazu zu bringen, sich mit Energie und Leichtigkeit zu bewegen.

Vorwärts, aber gerade!

Ein weiterer Aspekt, den in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden muss, ist die natürliche Schiefe des Pferdes. Jedes Pferd ist von Geburt an asymmetrisch: Es tritt mit einer Hinterhand aktiver unter als mit der anderen, belastet eine Schulter stärker und ist auf einer Hand geschmeidiger. Wer nun nur vorwärts reitet, ohne auf die Geraderichtung zu achten, verstärkt diese Schiefe. Das Pferd eilt auf der hohlen Seite davon und bleibt auf der festeren Seite zurück. Die Lösung? Geraderichten. Erst wenn das Pferd gleichmäßig untertritt, kann es sich wirklich losgelassen bewegen – und erst dann ist das Vorwärts harmonisch. Ganz besonders bei sehr bewegungsstarken, eher übermäßig mobilen Pferden ist das gar nicht so einfach. Wenn du mehr über das sinnvolle Training hypermobiler Pferde wissen willst, lies doch gern mal in diesen Beitrag weiter.

Das richtige Gefühl entwickeln

So erkennst du, ob dein Pferd im richtigen Maß vorwärtsgeht ➡  Fühlt sich die Bewegung leicht und elastisch an? Oder braucht das Pferd ständig neue Impulse vom Reiter? ➡  Bleibt das Pferd in der Anlehnung stabil? Oder wird es entweder zu fest oder zu wackelig? ➡  Kommen halbe Paraden durch? Oder ignoriert das Pferd sie und rast weiter? Das richtige Vorwärts fühlt sich immer frei an – weder zu langsam noch zu hastig, sondern energiegeladen, aber in sich ruhend.  

Fazit: Vorwärts mit Maß und Ziel

Vorwärts ist kein Selbstzweck. Es bedeutet nicht, das Pferd durch ständiges Treiben zu beschleunigen, sondern ihm die Möglichkeit zu geben, sich in seiner optimalen Balance zu bewegen. Ein Pferd, das im richtigen Tempo geht, ist losgelassen, durchlässig und leicht in der Hand.

Und genau das ist das Ziel der klassischen Reitkunst: Nicht schneller – sondern richtiger.


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