Das „Mysterium“ halben Parade
Feinste Kommunikation zwischen Reiter und Pferd
Die halbe Parade ist eine der subtilsten und wirkungsvollsten Hilfen in der klassischen Reitkunst. Und trotzdem ist sie für viele Reiter in Mysterium. Was genau ist eine halbe Parade? Wie Reiter man sie? Und was hat das alles mit dem Aussetzen der Hilfen zu tun? Hier erklären wir es dir!
Die halbe Parade dient nicht nur der Vorbereitung auf Lektionen, sondern auch der Verfeinerung der Durchlässigkeit und Versammlung des Pferdes. Richtig ausgeführt, ist sie ein harmonisches Zusammenspiel von Sitz, Gewicht, Schenkel- und Zügelhilfen – ein Dialog, der mit feinsten Nuancen geführt wird. Das alles hast du bestimmt auch schon gehört. Aber:
Warum ist die halbe Parade so wichtig?
Eine halbe Parade ist weit mehr als ein kurzes Annehmen des Zügels oder ein impulsartiges Treiben. Sie hilft dem Pferd, die Balance zu finden, sich feiner auszubalancieren und auf die Hilfen des Reiters präziser zu reagieren. Sie bringt das Pferd in eine verbesserte Selbsthaltung, fördert die Tragkraft der Hinterhand und verbessert den Bewegungsfluss. Besonders bei Gangpferden ist die halbe Parade übrigens ein wesentliches Instrument, um den Viertakt im Tölt zu erhalten und die Stabilität in den Gängen zu verbessern. Ohne sie geht beim Gangreiten eigentlich gar nichts!
Zweck der halben Parade
Der Zweck der halben Parade besteht darin, das auffußende Hinterbein in seinen Gelenken vermehrt durch die Last zu beugen und es gegebenenfalls etwas länger am Boden zu halten, sodass es einen größeren Anteil des Gewichts von Pferd und Reiter aufnimmt. Dies verbessert nicht nur die Balance und Schubkraft des Pferdes, sondern hilft auch, die feine Anlehnung und Durchlässigkeit zu erhalten.
Einseitige und beidseitige halbe Paraden
Eine halbe Parade kann sowohl einseitig als auch beidseitig geritten werden.
- Einseitige halbe Paraden lenken die Aufmerksamkeit des Pferdes auf die jeweilige Körperhälfte. Sie sind besonders hilfreich beim Abwenden oder bei der gezielten Verbesserung der Biegung.
- Beidseitige halbe Paraden werden eingesetzt, um Gangartwechsel oder Tempowechsel innerhalb einer Gangart vorzubereiten. Sie helfen dem Pferd, sich gleichmäßig zu versammeln und in Balance zu bleiben.
Wie reitet man eine halbe Parade?
So, nun aber mal ganz praktisch: Wie reitet man eine halbe Parade genau? Eine halbe Parade folgt einem präzisen Ablauf, der dem Pferd hilft, sich besser auszubalancieren und auf die Hilfen des Reiters fein zu reagieren. Sie besteht aus drei wesentlichen Elementen (die Voraussetzung ist immer, dass das Pferd bereits gelernt hat, auf jede einzelne dieser Hilfen zu reagieren – dies solltest du natürlich vorher sicherstellen):
- Sitz und Kreuz aktivieren: Der Reiter richtet sich bewusst auf, spannt die Rumpfmuskulatur an und bringt sein Gewicht leicht nach hinten. Diese subtile Veränderung signalisiert dem Pferd, mehr Last auf die Hinterhand aufzunehmen.
- Bein einsetzen: Die Schenkel treiben das Pferd sanft vorwärts, um sicherzustellen, dass es aktiv bleibt und nicht hinter die Bewegung kommt.
- Zügel annehmen und nachgeben: Die Hand gibt eine feine, federnde Impulswirkung, um das Pferd in der Versammlung zu unterstützen. Wichtig ist, dass die Hand nicht dauerhaft hält, sondern nach einer kurzen Einwirkung sofort nachgibt.
Die halbe Parade wird stets in einem fließenden Bewegungsablauf geritten. Sie darf niemals ruckartig oder stockend sein, sondern sollte das Pferd sanft zur besseren Selbsthaltung anregen.
Timing – Der richtige Moment entscheidet
Damit eine halbe Parade wirkungsvoll ist, muss sie exakt im richtigen Moment gegeben werden. Sie kann nur dann wirksam sein, wenn sie exakt auf die natürliche Bewegung des Pferdes abgestimmt ist. Jedes Hinterbein durchläuft mehrere Bewegungsphasen:
- Es schwingt nach vorne in der Luft,
- setzt vor der Senkrechten auf,
- nimmt Last auf, während es die Gelenke beugt,
- passiert die Senkrechte, indem es die Körpermasse trägt,
- streckt sich wieder und schiebt das Pferd nach vorne.
Die halbe Parade muss genau in der Stützphase des Hinterbeins gegeben werden – also dann, wenn sich das Hinterbein auf dem Boden vor der Senkrechten befindet. Wird sie zu spät gegeben, wenn das Hinterbein bereits wieder streckt und schiebt, wirkt sie gegen die natürliche Bewegung. Eine zu frühe Parade in der Luftphase bleibt ebenfalls wirkungslos, da das Pferd in diesem Moment keine Last aufnehmen kann.
Der Reiter kann den perfekten Moment erspüren und teilweise auch von oben sehen:
- Fühlen über den Sitz: Wenn das Hinterbein auffußt, hebt sich die gleichseitige Hüfte des Pferdes minimal. Diese Bewegung ist im Sitz des Reiters spürbar – durch leichtes Heben des Gesäßknochens.
- Wahrnehmen über die Zügel: In diesem Moment entsteht ein leichter „Pulsschlag“ im gleichseitigen Zügel, wenn das Pferd mit dem Hinterbein Last aufnimmt.
- Beobachten der Bewegung: Das Schulterblatt des Pferdes bewegt sich synchron mit dem diagonal gegenüberliegenden Hinterbein. Wenn das Schulterblatt nach hinten schwingt, befindet sich das gleichseitige Hinterbein auf dem Boden – der richtige Moment für die halbe Parade.
- Timing im Galopp: Im Galopp befindet sich das äußere Hinterbein am höchsten Punkt des Galoppsprungs am Boden, während das innere Hinterbein dann auffußt, wenn der Sitz des Reiters leicht nach vorne gezogen wird.
Wann ist der falsche Moment?
- Wird die halbe Parade gegeben, wenn das Hinterbein in der Luft ist, kann das Pferd nicht angemessen darauf reagieren.
- Erfolgt sie zu spät, wenn das Hinterbein bereits streckt und schiebt, wirkt die Hilfe gegen die natürliche Bewegung des Pferdes und kann zu Widerstand führen.
Durch bewusstes Erfühlen und Beobachten der Bewegungen des Pferdes entwickelt der Reiter ein immer feineres Gespür für den perfekten Moment, um die halbe Parade präzise und effektiv einzusetzen.
Wie entsteht aus einer halben Parade eine ganze Parade?
Eine ganze Parade ist nichts anderes als eine Serie von gut abgestimmten halben Paraden, die das Pferd sanft in den Halt führen. Dabei wird der Ablauf der halben Parade mehrmals hintereinander wiederholt, bis das Pferd mit der Hinterhand weiter unter seinen Schwerpunkt tritt und schließlich geschlossen zum Stehen kommt. Während die halbe Parade eine präzise abgestimmte Hilfengebung ist, die das Pferd in seiner Balance unterstützt, ergeben mehrere aufeinanderfolgende halbe Paraden eine ganze Parade, die das Pferd aus der Bewegung sanft in einen geschlossenen Halt bringt. Wer die feine Abstimmung von Sitz, Bein und Hand meistert, erreicht harmonische Übergänge und eine verbesserte Versammlung – die Grundlage für eine feine, klassische Reitweise.
Damit die ganze Parade korrekt ausgeführt wird, müssen einige zentrale Punkte beachtet werden:
- Die Reihenfolge der Hilfen bleibt unverändert: Kreuz – Bein – Hand.
- Die Intensität wird schrittweise gesteigert: Anfangs leicht, dann bei Bedarf mit zunehmender Deutlichkeit.
- Die Hände bleiben unabhängig vom Sitz: Kein festes Ziehen, sondern eine feine Abstimmung mit dem treibenden Bein.
- Nachgeben in der letzten Phase: Das Pferd soll im Gleichgewicht und ohne Spannung zum Halten kommen.
Das Aussetzen der Hilfen – Ein Schlüssel zur feinen Kommunikation
Eine halbe Parade ist erst dann vollständig, wenn die Hilfen danach bewusst ausgesetzt werden. Dieses Nachgeben – das Loslassen der Reiterhand und das Reduzieren der treibenden Hilfen – signalisiert dem Pferd, dass es die gewünschte Reaktion gezeigt hat. Es ist eine essenzielle Form der positiven Verstärkung und fördert die Selbsthaltung des Pferdes. Durch das bewusste Nachgeben der Zügel erhält das Pferd die Möglichkeit, sich in der neu gefundenen Balance eigenständig zu tragen. Die Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul bleibt dabei weich und lebendig, ohne ein ständiges Halten oder Stützen.
Hier schließt sich der Kreis zum vielzitierten „descente de main et de jambes“, meist verkürzt zu „descente de main“ bezeichnet. So wird in der klassischen Reitkunst das kurzzeitige Aussetzen der Zügel- und Schenkelhilfen genannt, das dann erfolgt, wenn das Pferd sich in perfekter Haltung befindet und diese ohne reiterliche Unterstützung weiter halten soll.
Dieses Prinzip gilt als wesentlicher Bestandteil der klassischen Ausbildung. Es ist das Ziel, dieses Aussetzen der Hilfen mit fortschreitender Ausbildung immer länger praktizieren zu können. Warum ist das Aussetzen der Hilfen so wichtig?
- Vermeidung von Abhängigkeit: Ein Pferd, das ständig durch die Zügel stabilisiert wird, lernt nicht, sich selbst zu tragen.
- Förderung der Losgelassenheit: Nur ein Pferd, das nicht festgehalten wird, kann sich geschmeidig und mit schwingendem Rücken bewegen.
- Verfeinerung der Kommunikation: Das Pferd reagiert sensibler auf feinste Hilfen, wenn es lernt, auf minimale Signale zu achten.
- Lob und Belohnung: Das Wegnehmen von Druck, auch wenn er noch so gering sein mag, wird positiv und lobend vom Pferd wahrgenommen, bestätigt es in seiner Reaktion und fördert Motivation und Arbeitseifer.
Das richtige Timing ist auch hier entscheidend: Das Nachgeben erfolgt unmittelbar nach der korrekt ausgeführten halben Parade und dient als Bestätigung für das Pferd.
Übungen zur Verbesserung von halben und ganzen Paraden
Um die Technik der halben und ganzen Paraden zu verfeinern, können gezielte Übungen ins Training integriert werden:
- Übergänge vorbereiten: Vor jedem Gangartwechsel (z. B. Schritt-Trab oder Trab-Halt) mehrere halbe Paraden reiten, um Balance und Versammlung zu verbessern. Übrigens: Wie du Übergänge besser reitest, erfährst du hier.
- Wendungen mit halben Paraden unterstützen: Vor und nach einer Wendung helfen halbe Paraden, das Pferd ausbalanciert und durchlässig zu halten. Tipp: Wie du Biegungen richtig reitest und die besten Übungen, findest hier.
- Trab-Halt-Trab Übergänge: Hierbei wird die ganze Parade trainiert, indem das Pferd aus einer Abfolge von halben Paraden geschlossen in den Halt kommt und anschließend wieder sanft antritt.
Wichtige Grundlagen für Reiter
Damit du halbe und ganze Paraden korrekt ausführen kannst, solltest du folgende Fähigkeiten mitbringen: ✔ Du kannst dein Kreuz gezielt an- und abspannen ✔ Du kannst deine Beine unabhängig von der Hüfte bewegen ✔ Du reitest, ohne mit den Knien zu klemmen ✔ Du kannst hast einen ausbalancierten Sitz und kannst daher deine Hände unabhängig von deinem Körper präzise bewegen Falls diese Punkte noch nicht perfekt klappen, lohnt sich gezieltes Training – nicht nur für das Pferd, sondern auch für dich. Denn nur wer selbst in Balance ist, kann sein Pferd optimal unterstützen.
Fazit – Die halbe Parade als Schlüssel zur feinen Reitkunst
Die halbe Parade ist ein unverzichtbares Werkzeug für feines, klassisches Reiten. Sie hilft, Balance und Versammlung zu fördern, Übergänge geschmeidig zu gestalten und das Pferd in seiner Gangart zu stabilisieren. Wer sie beherrscht, hat einen Schlüssel zu müheloser Kommunikation mit seinem Pferd – unsichtbar, aber höchst wirkungsvoll.
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